Text: Olivia Frei
Die Diskussion über das Nordische Modell, also ein Sexkaufverbot bei gleichzeitiger Straffreiheit für prostituierte Personen und umfangreiche Ausstiegsprogramme, hat in der Schweiz an Dynamik gewonnen – und das nicht mehr nur am Rand des politischen Spektrums oder bei einigen Exponent:innen. Innerhalb weniger Monate sind zentrale politische, mediale und gesellschaftliche Impulse hinzugekommen, die zeigen: Die Debatte ist im Mainstream angekommen.
Ein prominenter Impuls aus dem Parlament
Im März 2025 fand die von Ständerat Damian Müller gewünschte Diskussion zu seiner Interpellation «Schutz von Frauen in der Prostitution» mit Bundesrat Beat Jans statt. Damian Müller (FDP, LU), erkundigte sich darin unter anderem, ob ein Sexkaufverbot zur Verbesserung der Sicherheit von Menschen in der Prostitution beitragen könne. Zur Diskussion kam es, weil Ständerat Müller mit der schriftlichen Antwort des Bundesrats nicht zufrieden war.
In der Antwort bekräftigt der Bundesrat zwar seine bisherige Haltung, wonach die Zuständigkeit bei den Kantonen liege und es aktuell keine ausreichenden Belege für die Wirksamkeit eines Sexkaufverbots gäbe. Gleichzeitig verweist er aber auf laufende Programme zur Unterstützung ausstiegswilliger Frauen sowie auf das Engagement von Fedpol im Rahmen des Nationalen Aktionsplans gegen Menschenhandel. Die Evaluation dieses Aktionsplans soll 2027 abgeschlossen sein und auch das Thema Sexkaufverbot berücksichtigen. Mit der Verabschiedung des Grundlagenpapiers der Mitte Frauen Schweiz und den darin formulierten Forderungen ist das Thema auf nationaler Ebene politisch gesetzt.
Gesellschaftlicher Diskurs gewinnt an Breite
Bereits im März hatten wir den schwedischen Polizisten und Autor Simon Häggström zu einer Lesung eingeladen. Er ist seit 18 Jahren im Rotlichtmilieu Stockholms tätig und ein engagierter Vertreter des Nordischen Modells. Gemeinsam mit Merly Åsbogård – einer Überlebenden von Zwangsprostitution – diskutierte er über die Praxis des Verbots in Schweden. Die Veranstaltung war ein starker Impuls für den öffentlichen Diskurs. Die Tatsache, dass sie von einem Sicherheitsdispositiv begleitet werden musste, spricht Bände über den Zustand der Debatte. Die Polarisierung zeigte sich auch daran, dass drei Organisationen zur Teilnahme an einer Gegendemonstration aufriefen.

Welche Perspektiven zählen?
Ein wiederkehrendes Muster im Widerstand gegen ein Sexkaufverbot ist der Anspruch, nur bestimmte Stimmen von Betroffenen gelten zu lassen – nämlich solche, die sich gegen das Nordische Modell aussprechen. Aussagen von Frauen, die Ausbeutung erlebt haben oder aussteigen wollen, werden relativiert, hinterfragt oder gar diskreditiert. Die feministische Aktivistin und Betroffene Huschke Mau fasste das Phänomen treffend zusammen:
Mediale Unterstützung – ein bemerkenswertes Signal
Besonders bedeutsam ist, dass sich auch führende Medienschaffende für das Nordische Modell aussprechen. So bekannte sich Raphaela Birrer, Chefredaktorin der Mantelredaktion des Tages-Anzeigers – der grössten Zeitungsredaktion der Schweiz – in einem Kommentar offen zur Idee eines Sexkaufverbots. Ihre Position hat Gewicht: Sie zeigt, dass es möglich ist, öffentlich und differenziert über die Realität in der Prostitution zu sprechen, ohne die Perspektive von Ausstieg und Schutz auszublenden. Dass eine so prominente Stimme der Schweizer Medienlandschaft diese Haltung einnimmt, ist ein starkes Signal.
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Auf unserem Blog findest du weitere Interviews, Artikel und Beiträge der Frauenzentrale Zürich.
Viel Spass beim Lesen!