Text: Ellen Girod
Heiraten kostet – vor allem Frauen. Weil Ehepaare gemeinsam besteuert werden, lohnt sich Erwerbsarbeit für viele Frauen kaum. Die Individualbesteuerung könnte das ändern und hätte eine Hebelwirkung für die Gleichstellung. Doch während die FDP-Frauen eine echte Veränderung fordern, schlägt das Parlament lediglich einen Kompromiss vor.
Heiraten ist schön. Für Frauen oft weniger. Weil das Einkommen von Ehepaaren gemeinsam besteuert wird, rutscht das – in den meisten Fällen tiefere – Einkommen der Frau in die höhere Steuerklasse. Unverheiratete behalten mehr von ihrem Gehalt. Verheiratete zahlen drauf. Die sogenannte Heiratsstrafe führt dazu, dass Erwerbsarbeit für verheiratete Frauen nicht mehr finanzielle Unabhängigkeit bedeutet, sondern höhere Steuern und kaum mehr Geld in der Tasche.
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Weil Männer oft mehr verdienen und kaum Elternzeit haben, entscheiden sich ausserdem viele Eltern für das traditionelle Modell: Er wird Hauptverdiener, sie stemmt Care-Arbeit. Und weil gut bezahlte Jobs selten teilzeitfähig sind und Väter oftmals nicht reduzieren können, steigt frau höchstens irgendwann im Teilzeitjob wieder in die Berufswelt ein. Wenn dann noch die Kita-Kosten und höhere Steuerbelastung dazukommen, bleibt vom Zweiteinkommen praktisch nichts übrig. Die Folge? Ein höheres Pensum lohnt sich oftmals rein ökonomisch nicht. Willkommen in der Schweiz – einem System, das Frauen in die finanzielle Abhängigkeit schiebt und Altersarmut gleich mitliefert.
Aktuell gibt es zwei politische Ideen, wie man das ändern könnte: Die Initiative der FDP-Frauen und der Gegenvorschlag des Parlaments. Beide wollen die Steuerlast gerechter verteilen, aber auf unterschiedliche Weise.
FDP-Frauen: Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung»
Die Idee von FDP-Frauen ist einfach: Weg mit der Ehegattenbesteuerung, her mit der Individualbesteuerung für alle. Egal ob Single, verheiratet oder in einer wilden Dreiecksbeziehung – jede*r zahlt für sich.
Die Vorteile
- Die Heiratsstrafe wäre komplett abgeschafft.
- Frauen könnten frei entscheiden, wie viel sie arbeiten – ohne dass der Staat sie dafür büsst. Sprich mehr finanzielle Unabhängigkeit und bessere Altersvorsorge.
- Zweitverdienerinnen, welche bisher stärker besteuert wurden, hätten einen finanziellen Anreiz ihre Arbeitspensen zu erhöhen. Oder überhaupt wieder einzusteigen.
- Mehr Arbeitskräfte = mehr Steuereinnahmen = weniger Fachkräftemangel.
Die Kritik
- Familien mit nur einem Einkommen (weil ein Elternteil zu Hause bleibt) könnten am Ende mehr zahlen als heute. Weil das Einkommen des Hauptverdieners in eine höhere Steuerprogression rutscht.
- Das Steuersystem müsste komplett umgebaut werden – teuer und kompliziert.
- Der Bund würde erst mal weniger Steuern einnehmen, bevor sich die Reform langfristig auszahlt.
Der Gegenvorschlag: Ein Versuch, es allen recht zu machen
Das Parlament hat die Idee der FDP-Frauen angeschaut und beschlossen: Ganz so radikal wollen wir das nicht. Ihr Plan? Die Ehepaare weiter gemeinsam besteuern, aber mit steuerlichen Korrekturen. Das Problem wird also nur abgemildert, nicht behoben.
Die Vorteile
- Die Umstellung wäre einfacher und günstiger.
- Ehepaare mit einem Hauptverdiener wären nicht die grossen Verlierer.
- Kurzfristig weniger Steuerausfälle für den Bund.
Die Kritik
- Die Heiratsstrafe wäre nicht weg, sondern nur ein bisschen weniger schlimm.
- Frauen hätten weiterhin keinen echten Anreiz, mehr Geld zu verdienen.
- Die Wirkung auf den Fachkräftemangel – und damit die gesamte – Wirtschaft wäre deutlich geringer.
Und jetzt?
Die Debatte läuft. FDP-Frauen fordern einen echten Systemwechsel, das Parlament zögert. Der Gegenvorschlag wäre ein halber Schritt, weniger schlecht als jetzt, aber weit entfernt von Chancengerechtigkeit. Die Frage ist: Wollen wir, dass Frauen endlich selbst entscheiden können, wie viel sie arbeiten? Oder bleibt die Steuer ein Hebel, der Frauen in der Teilzeit hält?
«Das heutige System ist ungerecht, vor allem wenn beide arbeiten.»
Klar ist: Das heutige System ist ungerecht, vor allem wenn beide arbeiten. Und es bestraft vor allem Frauen für Erwerbsarbeit. Will frau (mehr) erwerbsarbeiten, muss sie nicht nur mit einem tieferen Lohn rechnen, sondern zahlt überproportional noch drauf. Bleibt der Mann Hauptverdiener und die Frau stemmt mehr Care-Arbeit, bleibt sie finanziell abhängig. Die Individualbesteuerung wäre ein entscheidender Hebel für die Gleichstellung. Sie würde faire Anreize schaffen und Eltern könnten selbst entscheiden, wie sie Erwerbs- und Care-Arbeit aufteilen. Ohne steuerliche Strafen. Ohne, dass der Staat sie in die traditionellen Rollen drängt.
Der Ständerat ist gespalten, der Nationalrat entscheidet nochmal in dieser Session. Noch ist nicht entschieden, ob das Volk über die Individualbesteuerung abstimmen wird oder ob es vorher einen Kompromiss gibt. Der März wird zeigen, ob das Parlament den Mut hat, Frauen endlich die gleichen Chancen zu geben – oder ob wir noch ein paar Jahrzehnte warten müssen.
Auf unserem Blog findest du weitere Interviews, Artikel und Beiträge der Frauenzentrale Zürich.
Viel Spass beim Lesen!