Text: Alexandra Müller | Interview mit: Liliane Grossmann, Mirjam Holdener und Carolina Keller (von H&K Legal GmbH)
«Heiratet, bitte», so wurde die Unternehmerin und Feministin Patrizia Laeri im Juni in den Medien zitiert. Viele Paare stehen vor der Entscheidung, ob sie den Bund der Ehe eingehen oder lieber in einer Lebensgemeinschaft ohne Trauschein, dem so genannten Konkubinat, zusammenleben wollen. Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen, insbesondere für Frauen, die in beiden Modellen unterschiedlich abgesichert sind.
Welche rechtlichen, finanziellen und persönlichen Aspekte sollten Frauen bei der Wahl zwischen Ehe und Konkubinat berücksichtigen? Wir haben mit Liliane Grossmann, unserer erfahrenen Vorsorgeberaterin, über die Vor- und Nachteile der beiden Modelle gesprochen und unsere beiden Rechtsanwältinnen, Mirjam Holdener und Carolina Keller, sprechen Klartext.
FZ: Liebe Liliane, Mirjam und Carolina, vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für dieses Interview genommen habt. Als langjährige Beraterinnen habt ihr sicher schon viele verschiedene Lebensmodelle und die damit verbundenen finanziellen und rechtlichen Fragen erlebt. Heute möchten wir von eurer umfassenden Expertise profitieren, um unseren Leserinnen und Mitgliedern der Frauenzentrale Zürich eine Orientierungshilfe bei der Entscheidung zwischen Ehe und Konkubinat zu geben. Fangen wir mit der ersten Frage an:
FZ: Welche Unterschiede bestehen in der rechtlichen Absicherung von Frauen zwischen Ehe und Konkubinat?
Mirjam Holdener/Carolina Keller: Das Konkubinat ist im Gesetz nicht geregelt. Folglich bestehen von Gesetzes wegen keine Ansprüche bei Trennung oder Tod des Konkubinatspartners; und dies unabhängig von der Dauer der Beziehung. Nur die Ehe sieht eine rechtliche Absicherung für die Ehepartner, beispielsweise bei Trennung, Scheidung oder Tod, vor.
Stirbt ein Ehepartner, haben die Eheleute nebst erbrechtlichen Ansprüchen in der Regel Anspruch auf Hinterlassenenleistungen der AHV und der betrieblichen Unfallversicherung oder Pensionskasse ihres verstorbenen Partners. Für Konkubinatspartner gilt das nur unter bestimmten Voraussetzungen in Bezug auf die Pensionskassen.
FZ: Wie wirken sich die beiden Lebensformen auf die Altersvorsorge und die finanzielle Absicherung von Frauen aus?
Liliane Grossmann: Wenn ein Paar verheiratet ist, kommt in der AHV das Einkommenssplitting zur Anwendung: für die Dauer der Ehe werden die erzielten Einkommen je hälftig dem anderen Partner zugeteilt. Bei einer langen Ehe gleichen sich die Zahlen zwischen den Partnern damit an. Die Erziehungsgutschriften für die Betreuung von Kindern unter 16 Jahren werden aber ungeachtet des Zivilstandes gutgeschrieben. Ehegattenrenten der AHV werden bei einem Konkubinat nie fällig, während es in der beruflichen Vorsorge mittlerweile weit verbreitet ist, Lebenspartnerrenten unter gewissen Bedingungen (Dauer der Lebenspartnerschaft etc.) auszurichten.
FZ: Gibt es im Falle einer Trennung spezifische Vor- oder Nachteile für Frauen, je nachdem, ob sie verheiratet sind oder im Konkubinat leben?
Liliane Grossmann: In der AHV wird das Einkommenssplitting für die Dauer der Ehe vorgenommen, d.h. bis es entweder zur Scheidung kommt oder bis der zweite Ehepartner die Altersrente beantragt.
In der beruflichen Vorsorge wird bei Scheidung ein Vorsorgeausgleich zwischen den Freizügigkeitsleistungen der beiden Ehepartner vorgenommen, indem die während der Ehe erworbenen Freizügigkeitsleistungen je hälftig zugeteilt werden. Im Konkubinat erfolgt dies nicht.
Mirjam Holdener/Carolina Keller: Das Recht sieht im Falle der Trennung nur bei Ehepaaren ein Eheschutzverfahren vor, durch welches beispielsweise die Frage, wer in der gemeinsamen Familienwohnung bleiben kann, gerichtlich geklärt werden kann.
Zudem steht einem Ehepartner vor allem bei der Trennung ein Unterhaltsanspruch zu, sollte er nicht in der Lage sein, für sich selbst zu sorgen, z.B. aufgrund der Kinderbetreuung. Hinzu kommt, dass bei lebensprägenden Ehen gegebenenfalls ein Unterhaltsanspruch auch nach der Scheidung besteht, welcher mangels gesetzlicher Regelung beim Konkubinat eben nicht vorgesehen ist.
Bei Ehegatten werden bei der Scheidung auch die Vermögen, welche während der Ehe aufgrund von Arbeitsleitungen gespart wurden, in der Regel hälftig geteilt.
Konkubinatspaare haben gegenseitig keine rechtlichen Verpflichtungen, was je nach Konstellation (zB. bei klassischer Rollenverteilung und Kinderbetreuung) massive finanzielle Nachteile bringen kann. Deshalb wird Konkubinatspaaren dringend empfohlen, die wichtigen Themen mit einem Konkubinatsvertrag und/oder Testament etc. zu regeln.
Ehegatten haben zudem von Gesetzes wegen gegenseitige Auskunfts- und Vertretungsrechte (z.B. gegenüber Ärzten, über finanzielle Verhältnisse etc.), was ledige Konkubinatspartner von Gesetzes wegen ebenfalls nicht haben.
FZ: Welche steuerlichen und erbrechtlichen Unterschiede sollten Frauen bei der Entscheidung zwischen Ehe und Konkubinat beachten?
Mirjam Holdener/Carolina Keller: Nach wie vor gibt es bei den Steuern die sog. Heiratsstrafe für verheiratete Paare. Diese trifft aufgrund der steuerlichen Progression vor allem Doppelverdiener-Ehepaare. Aktuell wird allerdings im Parlament diskutiert, ob nicht auch Eheleute der Individualbesteuerung unterliegen sollen.
Erbrechtlich hat der Ehepartner von Gesetzes wegen einen Erbanspruch (Hälfte) und gar mindestens einen Pflichtteilsanspruch von einem Viertel des Nachlasses. Im Konkubinat erbt der überlebende Partner nur, wenn ein Testament oder ein Erbvertrag errichtet worden ist.
FZ: In welchen Fällen würdet ihr Frauen raten, eher zu heiraten oder im Konkubinat zu leben – und warum?
Liliane Grossmann: Vor allem wenn ein Paar Kinder plant und der eine Ehepartner für die Kinderbetreuung sein Arbeitspensum stark reduziert, würde ich zur Ehe raten. So ist auch der Partner mit dem tieferen Einkommen zumindest für die Dauer der Ehe abgesichert. Je nach individueller Konstellation kann es dann aber nach der Scheidung schwierig werden, weil durch die Phase der Kinderbetreuung Karrierechancen verpasst wurden, die nur noch schwer aufzuholen sind.
Mirjam Holdener/Carolina Keller: Die schweizerische Rechtslage bietet Konkubinatspaaren von Gesetzes wegen keine rechtliche Absicherung, daher empfehlen wir vor allem Paaren mit klassischer Rollenverteilung zu heiraten, wollen sie bei Trennung oder im Todesfall rechtlich und finanziell abgesichert sein. Solange die Rechtslage für Paare, die im Konkubinat leben, nicht in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht sowie auch in Unterhaltsfragen der Ehe gleichgestellt werden, wird immer ein Ungleichgewicht bestehen. Dieses kann im Rahmen eines Konkubinatsvertrags zum Teil ausgeglichen werden. Wir empfehlen jedoch dringend, eine Fachperson für die Ausarbeitung eines Konkubinatsvertrag beizuziehen und diesen auch bei Veränderung der individuellen Lebensumstände anzupassen.
«Ich empfehle auf alle Fälle, sich über Vor- und Nachteile zu informieren.»
FZ: Was sind abschliessend die wichtigsten Botschaften oder Handlungsempfehlungen, die ihr den Mitgliedern der Frauenzentrale Zürich mit auf den Weg geben möchtet, damit sie eine fundierte Entscheidung treffen können?
Liliane Grossmann: Ich empfehle auf alle Fälle, sich über Vor- und Nachteile zu informieren. Mein Eindruck ist aber, dass wohl häufig emotionale Gründe eine Rolle spielen, ob ein Paar verheiratet ist oder nicht.
Mirjam Holdener/Carolina Keller: Sobald Kinder im Spiel sind und die Eheleute nicht im gleichen Umfang arbeitstätig sind, sollte eine Eheschliessung ernsthaft in Betracht gezogen werden. Obwohl Heiraten nicht mehr als modern gilt, bringt die Ehe doch viele rechtliche Absicherungen mit sich.
Sollte die Ehe aus persönlichen Gründen nicht in Frage kommen, wird dringend der Abschluss eines Konkubinatsvertrags empfohlen. Unsere Erfahrung zeigt, dass Paare sich oft diesen Unterschieden gar nicht bewusst sind. Zudem sind die Themen, welche mit einem Konkubinatsvertrag geregelt werden sollten, kein einfacher Gesprächsstoff zu Beginn einer Beziehung oder in Erwartung eines Kindes. Die Ehe bietet schliesslich im Ernstfall eine rechtliche Absicherung auch für die Paare, welche diese Gespräche nie geführt haben.
FZ: Danke für das spannende Interview!
Die Frauenzentrale Zürich ist ein gemeinnütziger, steuerbefreiter Verein und der grösste Dachverband von Frauenorganisationen im Kanton Zürich. Unser Ziel? Frauen sichtbar machen, sie ermutigen und stärken. Dank unserem niederschwelligen Beratungsangebot finden Frauen Informationen und Auskunft zu Fragen wie Trennung, Scheidung, Vorsorge und Finanzen.
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Artikel zur Headline mit Patrizia Laeri.
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