Text: Olivia Frei | Interview mit: Elif Erisik und Melina Maret-Roshard
Stell dir vor, du triffst eine Seelenverwandte im Bus und merkst, dass ihr beide die gleiche Reise zu euch selbst erlebt habt: Burnout, Umbruch, Neuanfang. Genau das ist Elif und Melina passiert. Sie teilen ihre Erfahrungen von Erschöpfung, Mutterschaft und dem Ausbruch aus dem Perfektionsdruck. Gemeinsam entwickelten sie ein einzigartiges Konzept: MELIFE-Time, eine Reise zu innerer Ruhe und echtem Empowerment. In unserem Interview sprechen sie darüber, wie sie durch Atmen, Reflektieren und den Mut zur Selbstfürsorge neue Wege für Frauen schaffen.
FZ: Elif, Melina – wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?
Elif/Melina: Verrückterweise erst vor zwei Monaten! Wir kannten und bewunderten uns zwar seit 20 Jahren aus der Ferne, weil wir beide in den Medien gearbeitet haben, aber getroffen haben wir uns nie. Bis vor ein paar Wochen, als wir auf dem Weg zu unserem Breathwork Teacher Training bei keur nebeneinander im Bus sassen. Bereits nach zwei Minuten haben wir uns unser halbes Leben erzählt und waren verblüfft, wie ähnlich unsere Leben abgelaufen sind. Bis Ende 30 hatten wir Karriere in den Medien gemacht und unglaublich viel gearbeitet. Doch als wir schwanger wurden und unsere Kinder auf die Welt gebracht haben, wollten unsere Körper einfach nicht mehr zurück ins Hamsterrad. Wir hatten beide ein Burnout und wollten dem auf den Grund gehen. Jede von uns ist dabei auf eine eigene Heilungsreise gegangen, mit Fragen wie: Warum sind wir immer so getrieben? Immer im Survival-Modus? Welche Themen aus der Vergangenheit holen uns da gerade ein? Und wie möchten wir unser Leben wirklich leben? Die Antworten hatten radikale Veränderungen zur Folge. Raus aus dem Hamsterrad – mehr Leben, mehr ME-Time. Als wir uns im Bus davon erzählten, wussten wir sofort: Es ist kein Zufall, dass wir beide gerade jetzt nebeneinander hier sitzen. Das hat einen tieferen Sinn. Es hat sich angefühlt wie Liebe auf den ersten Blick.
FZ: Ein Thema, das euch beide verbindet, ist die Erfahrung der Erschöpfung, des Burnouts. Warum trifft vor allem Mütter diese Erschöpfung? Oder sprechen wir einfach mehr über die Belastung von Müttern?
Elif/Melina: Heute wird definitiv mehr und offener über das Thema gesprochen. Gott sei Dank, denn «the struggle is real». Unser Leben ist ein ständiger Balanceakt in einer immer schnell lebigeren Welt, und dabei verlieren wir uns selbst leicht aus den Augen. Vor allem, wenn wir das Gefühl haben, in allen Rollen perfekt sein zu müssen – sei es als Mutter, Partnerin, Berufstätige oder Tochter. Viele von uns sind von klein auf selbstkritische Leistungstierchen oder People Pleaserinnen.
«Wir kümmern uns um alle, nur nicht um uns selbst.»
Gesunde MeTime oder Selfcare? Fehlanzeige. Sie bleiben meist auf der Strecke und werden auf die nächsten Ferien verschoben. Ebenso spielen gesellschaftliche, traditionelle Erwartungen eine Rolle. Die moderne Mutter von heute soll doch alles easy unter einen Hut bringen können, oder? Kann sie eben nicht. Die vielbesagte Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist unserer Meinung nach eine Illusion. Schon allein, weil unser System nicht darauf ausgerichtet ist. Man denke nur mal an die hohen Kosten für Kinderbetreuung, den Mangel an flexiblen Arbeitsmodellen oder die unzureichende staatliche Unterstützung. Wie soll man da auf eine gesunde Art und Weise alles wuppen können? Wir rennen Idealen hinterher, die überhaupt nicht realistisch sind. Das geht übrigens nicht nur Müttern so, sondern Frauen generell. Und auch Männer werden davon nicht verschont. Zurzeit konzentrieren wir uns aber grad auf die Anliegen der Mütter und Frauen im Umbruch – weil wir selbst welche sind.
FZ: Welche Veränderungen hat das Burnout bei euch angestossen?
Elif: Traumata und unsere Ängste zu facen. Sie anzunehmen und Schritt für Schritt Frieden mit ihnen zu schliessen. Auch setzen wir Prioritäten heute anders. Mentale und physische Gesundheit gehen vor. Und wir haben uns dafür entschieden, unser Leben zu entschleunigen, es bewusst zu gestalten, mit mehr Selbstfürsorge und weniger Selbstkritik. Nicht immer funktionieren und leisten zu müssen, sondern auch mal innezuhalten. Das zu tun, was uns innere Freude bereitet. Die eigenen Grenzen klarer zu setzen, sich verletzlich zeigen und Fehler machen zu dürfen. Ganz nach dem Motto von Pamela Anderson: «The new rebel move is to stay soft».
«Wir folgen heute viel mehr unserer Intuition, unserer inneren Stimme.»
Melina: Wir haben gelernt, dass mehr Zeit für uns selbst auch einen Preis hat. Beide haben wir unseren Lebensstil angepasst, verzichten auf Materielles, auf Erfolg und Anerkennung im Beruf. Wir sagen öfter Nein und setzen klare Prioritäten – was nicht immer leicht ist. Das alles ist nur möglich, weil unsere Männer genauso viel Care-Arbeit leisten wie wir. Wir teilen alles 50/50 auf, finanziell und beruflich, was natürlich auch nicht immer stressfrei ist. Ausserdem können wir auf die Unterstützung unserer Mütter und vieler weiterer Personen zählen.
«Es braucht ein erweitertes Netzwerk, eine Art erweiterte Kleinfamilie, um das alles zu schaffen.»
FZ: Was würdet ihr der prä-Burnout Elif und der prä-Burnout Melina heute gerne sagen?
Elif: «My love, schliesse für einen Augenblick deine Augen. Atme mit mir zusammen durch die Nase leicht, langsam und tief in den Bauch ein und aus. Gönn’ dir diesen Moment der Ruhe. Glaub mir, vieles, das dir gerade wichtig erscheint, kann warten. Du musst nicht die ganze Welt retten. Und du musst auch niemandem etwas beweisen. Du bist gut, so wie du bist. Sei lieb zu dir. Wonach sehnst du dich und wie möchtest du dich fühlen? Vertraue diesem Gefühl und verdränge es nicht. Denn je mehr du deine Bedürfnisse unterdrückst, desto stärker melden sie sich zurück. Setze deine Gesundheit nicht aufs Spiel. Und warte nicht auf ruhigere Zeiten – kreiere sie selbst, im Hier und Jetzt. Es ist DEIN Leben. Take good care of yourself, my dear».
Melina: «Mach mal langsam und höre hin, was dir dein Körper sagen will. All die Anerkennung im Aussen bringt dir nichts, wenn du selbst dabei auf der Strecke bleibst. Es ist okay, schwach zu sein und nicht alles perfekt zu machen. Du musst dich nicht dauernd beweisen. Nimm dir Zeit für dich, vertraue dem Fluss des Lebens, und geniesse die Momente. Alles kommt, wie es kommen soll.»
FZ: Melina, du und ich teilen eine grosse Liebe – nämlich die zu Ibiza. Du hast längere Zeit auf Ibiza gelebt. Was bedeutet dir die Insel und welche Ibiza-Gefühle begleiten dich bei dem, was du heute machst, immer?
Melina: Ibiza ist für mich ein Kraftort – der Mix aus Freiheit, Natur und den kreativen, spirituellen Menschen inspiriert mich enorm. Schon immer wollte ich am Meer leben, und die spanische Mentalität hilft mir dabei, besser auf mich zu achten. Hier läuft alles ein bisschen langsamer, und vieles lässt sich «mañana», also morgen, erledigen, wenn man Zeit hat. Auch die Schule beginnt erst um 10 Uhr. Wenn ich dann nach Zürich zurückreise, habe ich das Gefühl, in eine viel schnellere Zeitzone zu kommen und kaum nachzukommen. Das Umfeld, die Umgebung – sie machen definitiv etwas mit einem und beeinflussen, wie man sich selbst sieht und umsorgt.
FZ: Elif, du sagst, du hattest schon 10 Katzenleben. Du hast eine lange Medien-Karriere hinter dir und warst erfolgreich – und preisgekrönt – in der Gastro-Branche unterwegs. Wo ist die Katze heute unterwegs?
Elif: Überall, wo es ihr Spass macht. Die Katze ist heute mehr Katze denn je. Sie folgt ihrem Instinkt und macht, was sie wirklich will. In meinen Innervoice- und Breathwork-Coachings blühe ich richtig auf, genauso bei meinem Podcast «Face it & Embrace it», wo ich mit Gäst*innen über ihr Leben spreche, über schicksalhafte Erlebnisse und Mut zur Verletzlichkeit. Zudem bin ich mit Leib und Seele Mama. Dank meiner Tochter habe ich so viel über mich selbst gelernt wie noch nie. Sie ist mein kleiner Buddha, und dafür bin ich unendlich dankbar. Ich wachse stetig mit ihr.
FZ: Nun spannt ihr zusammen. Wie, was, wo plant ihr?
Elif/Melina: Wir haben letzten Samstag die Premiere von unserem MeTime-/Breathwork-Workshop in Zürich gefeiert und sind immer noch ganz geflasht davon! Was für eine grossartige, inspirierende Erfahrung und dann noch all die berührenden Feedbacks. Geplant sind noch mehr Workshops in anderen Städten und Ländern. Ebenso Retreats, einen eigenen Podcast oder spannende Kollaborationen mit vielen Verbündeten. Wir haben gerade erst begonnen mit dieser Self-Empowerment-Reise und haben uns gesagt, wir werden schauen, welcher Schritt sich richtig anfühlt. We go with the flow und passen dabei gut auf uns auf.
FZ: It’s about melife-time. Wofür steht das?
Elif/Melina: MELIFE-Time ist ein Wortspiel mit unseren Namen (MELIna und ELIF) und dem «ME» – also «ich selbst» und die Zeit, die wir uns geben. Für uns bedeutet MELIFE-Time, dass wir Frauen uns endlich die Zeit gönnen, um mit unserer Kraft und unserem inneren Potenzial wieder in Verbindung zu kommen. Und uns verbünden. Die Emanzipation der Frauen ist immer dann vorangekommen, wenn Frauen sich miteinander verbündet haben. Das sagen nicht wir, sondern die Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach in ihrem neuen Buch. Was für eine grandiose Erkenntnis
FZ: Gibt es noch freie Workshop-Plätze und wo kann man sich anmelden?
Elif/Melina: Ja, für die Termine am Sonntagnachmittag, 8. Dezember, und am Dienstagmorgen, 10. Dezember, gibt es noch ein paar Plätze. Wer dabei sein möchte, kann sich auf kosmoskreator.com/workshops anmelden.
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