Text: Olivia Frei
Als am 15. Juni um 15 Uhr die Schweizer Fussballnationalmannschaft der Männer ihr erstes Spiel an der Euro 2024 bestritten hat, waren wieder viele Menschen vor dem TV, in Bars oder an Public Viewings dabei. 24 Teams aus Europa nehmen an der Euro 2024 in Deutschland teil und viele ihrer Fans reisen an die Spiele. Diese Fans sind überwiegend männlich. Und es sind viele. Vom 14. Juni bis zum 14. Juli finden 51 Spiele statt und Deutschland erwartet 7,3 Millionen Gäste aus 120 Ländern.
Aus den Erfahrungen der Fussballweltmeisterschaft 2006 weiss Deutschland, dass mit diesem Besucheranstieg auch die Zahl der Freier steigt. Es wird geschätzt, dass täglich 1,2 Millionen Männer zu prostituierten Frauen gehen. Bis zu 400’000 Frauen sind in Deutschland in der Prostitution, 85% davon sind Migrantinnen und es handelt sich dabei überwiegend um Armutsprostitution.
Aus diesem Grund hat der Bundesverband Nordisches Modell, zu dessen Gründungsmitgliedern auch die Frauenzentrale Zürich gehört, die Kampagne #RoteKartefürFreier lanciert. Die Kampagne fordert eine EM ohne Sexkauf und zeigt Freiern rot. Die rote Karte wird im Fussball dann gezückt, wenn es um unsportliches Verhalten, Beleidigungen oder brutales Spiel geht. Was hat das mit Prostitution zu tun?
Frauen in der Prostitution stehen unter starkem Druck, Geld verdienen zu müssen, und können in den meisten Fällen weder Freier ablehnen noch Praktiken verweigern. Das Verhalten von Freiern ist unsportlich, da für sie nur ihre Befriedung zählt. In Freierforen bewerten Freier die Frauen in der Prostitution, vergleichen sie und beschreiben sie in abwertender Sprache. Hier zeigen wir die rote Karte wegen Beleidigung. Verschiedene Studien belegen, dass Frauen in der Prostitution überproportional häufig an somatischen und psychischen Erkrankungen leiden und in der Prostitution schwere Traumata erleben. Für uns ist klar: Das ist brutales Spiel.
Prostituierte Frauen führen ein schwieriges Leben, sind oft in einem ausbeuterischen System gefangen und prostituieren sich aus einer Notlage. Sie werden oft vergessen und die Gesellschaft beschäftigt sich erst dann mit den Folgen der Prostitution, wenn diese offensichtlich werden. Ohne Freier, die die Notlage der prostituierten Frauen ausnutzen, könnten Ressourcen für Präventionsarbeit, Armutsbekämpfung und alternative Angebote genutzt werden. Fragen wir die Männer in unserem Umfeld – unabhängig davon, ob sie an die EM reisen oder nicht – ob sie schon einmal bei einer Prostituierten waren, und erzählen wir ihnen von der Kampagne und warum sie wichtig ist. Wir arbeiten gegen die Stigmatisierung der prostituierten Frauen und lenken den Fokus auf die Freier. Freier halten den Prostitutionsmarkt am Laufen und Heizen ihn bei Grossevents an.
Wir zeigen unsportlichem Verhalten und Ausbeutung die rote Karte!
Die UEFA, die die EM organisiert, setzt sich laut ihrer Webseite für «equality, diversity & inclusion» ein. Wir wünschen uns, dass auch die Organisatoren und Fussballstars den Freiern die rote Karte zeigen.
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Viel Spass beim Lesen!