Text: Ellen Girod
Ein Rückblick auf das dritte Polittraining der Frauenzentrale Zürich: Die Politikerin Deborah Wettstein zeigte mit lustvoller, fast ansteckender Energie, wie politisches Engagement mit Kind und Job funktionieren kann.
Im März fand das dritte Training unseres Mentorings für angehende Politikerinnen statt. Geleitet von Deborah Wettstein: Gemeinderätin, FDP-Frauen-Vizepräsidentin, Mutter eines fünfjährigen Kindes und Botschafterin der Frauenzentrale Zürich. Wettstein erzählte unseren Mentees von ihrer politischen Arbeit und gab wertvolle Einblicke in die Herausforderungen, die viele Frauen in der Politik erleben. Hier kommen unsere drei wichtigsten Erkenntnisse.
1. Ins Rathaus statt ins Fitnessstudio
«Klar, überlegt man sich gut, welche Herausforderungen das Elternsein mitbringt. Aber der Gemeinderat ist ein Fiirabig-Parlament. Nicht wie der Kantonsrat, der den ganzen Tag blockiert. Man kann sich also gut organisieren. So wie viele einmal pro Woche ins Fitnessstudio gehen, gehe ich ins Rathaus politisieren.» – Deborah Wettstein
Wettsteins Tochter war wenige Monate alt, als die FDP-Kreispartei sie anfragte, ob sie kandidieren wolle. «Für mich war klar, ich will mich engagieren – auch als Mutter. Es soll nicht hinderlich sein, ein Kind zu haben», sagt sie rückblickend. Mittlerweile arbeitet Wettstein 70% in einem Architekturbüro und investiert rund 20-25% ihrer Zeit in ihr Gemeinderatsmandat. Die Sitzungen finden Mittwochnachmittags statt, Kommissionssitzungen etwa alle zwei Wochen am Donnerstagabend. In den Schulferien wird nicht getagt.
Hilfreich sei, sich seiner politischen Ziele bewusst zu sein: Will ich monatlich einen Vorstoss einreichen? Oder verlässliche Basisarbeit leisten? Davon hängt auch die Organisation der Care-Arbeit ab. Die Betreuung ihres Kindes teilt sich Wettstein mit dem Vater und mit der Grossmutter. Entscheidend sei ein Umfeld, das mitzieht.
Tipp: Wer kandidieren will, sollte sich frühzeitig überlegen, wie man sich organisieren will und sein Umfeld einbeziehen – privat wie beruflich. Auch mit dem Arbeitgeber frühzeitig klären, ob das politische Amt einen Interessenskonflikt darstellen könnte.
2. Netzwerk zählt oft mehr als teure Werbung
«Mir war gar nicht bewusst, dass wir selbst unser Umfeld um Spenden bitten sollten – ich dachte, das sei erst ab dem Kantonsrat relevant. Ausserdem fand ich konkrete Zahlen hilfreich, wie z. B. 1000 Adressen von Leuten aus einem Ort zu sammeln. Ich glaube, ich habe aktuell fünf Adressen im Kreis 3, Zürich – da gibt es also noch einiges zu tun.»
– Céline Büchel, Mentoring-Teilnehmerin und FDP-Kandidatin für den Gemeinderat 2026
Für ihre erste Kampagne erhielt Wettstein Flyer von ihrer Partei. Zusätzlich fragte sie in ihrem privaten Umfeld (per WhatsApp oder Brief mit QR-Code), wer bereit sei, sie mit kleinen Beträgen zu unterstützen. Bereits mit ein paar Hundert Franken lassen sich Drucksachen finanzieren. Nebst Geld seien ausserdem drei Faktoren im Wahlkampf entscheidend:
- Zeit: Für Gespräche, Unterschriftensammlungen, Netzwerkpflege, Sichtbarkeit an Anlässen
- Netzwerk: Freunde von Freunden, Arbeitgeber, Nachbarn – Panaschierstimmen machen oft den Unterschied
- Vertrauen: Innerhalb der Partei wie im privaten Umfeld
Tipp: Wem es unangenehm ist, um Geld zu bitten, kann auch um Zeitspenden bitten. Sei es persönliche Weiterempfehlungen oder nach Plakatstandorten (z.B. Balkon, Gartenhag) oder Unterstützung beim Flyern oder bei Briefkastenaktionen.
3. Ein Jahr vor den Wahlen mit dem Planen beginnen
Der Wahlkampf beginnt mindestens ein Jahr vor dem eigentlichen Wahltag. Wettstein empfiehlt:
- Kontakte auf- und ausbauen (Adressen sammeln!)
- Veranstaltungen besuchen
- Kampagnenteam bilden (innerhalb der Kreispartei oder informell)
- Professionelle Bilder oder persönliche Webseite (werden oft durch Partei mitfinanziert)
Tipp: Die letzten vier Wochen vor der Wahl sind besonders entscheidend. Persönliche Kontakte aktivieren, Reminder per WhatsApp, kurze Telefonate – jede Stimme zählt. Ein gut gepflegtes Unterstützer:innen-Netzwerk und viele Panaschierstimmen, können mehr bringen als bezahlte Werbung.
In diesem Polittraining zeigte Deborah Wettstein auf eine lustvolle und schon fast ansteckende Weise, wie politisches Amt mit Kind und Job funktionieren kann. Nämlich wenn man strategisch plant, sich vernetzt und dranbleibt.
Du möchtest auch kandidieren oder dein politisches Engagement vertiefen? Die Frauenzentrale Zürich bietet regelmässig Polittrainings und Ressourcen für Frauen an, die mitgestalten wollen. Melde dich gerne bei uns.
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