Priska Seiler Graf und Regine Sauter

13. AHV-Rente: Zwei Züri-Löwinnen über die Nationale Abstimmung vom 3. März 2024

Text: Belinda Schweizer

Am 3. März 2024 stimmen wir über die Einführung einer 13. AHV-Rente und die schrittweise Angleichung des Rentenalters ab. Im Interview mit unseren beiden Mitgliedern und Züri-Löwinnen, FDP-Nationalrätin Regine Sauter und SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, erfahren wir, wie die beiden Vorlagen aus ihrer Sicht die gleichstellungspolitischen Anliegen in der Altersvorsorge verbessern. Dabei vertreten die beiden Politikerinnen unterschiedliche Positionen.

Frauenzentrale Zürich (FZ): Es heisst: Von den heutigen Rentnerinnen – von denen jede Fünfte von Altersarmut betroffen ist – erhalte die Hälfte lediglich eine AHV-Rente. Verbessert eine 13. AHV-Rente die Situation der Frauen? 

Priska Seiler Graf, pro: Ja, das tut sie! Eine 13. AHV-Rente bedeutet eine Rentenverbesserung von rund 150 Franken pro Monat – und zwar für alle aktuellen und zukünftigen Rentnerinnen und Rentner. Das ist für Frauen besonders wichtig. Denn die AHV ist die einzige Säule der Altersvorsorge, welche die unbezahlte Sorgearbeit für Kinder und Verwandte durch Erziehungs- und Betreuungsgutschriften anerkennt. 

Regine Sauter, contra: Alle Rentnerinnen und Rentner würden eine 13. AHV-Rente erhalten, nicht nur jene, die in bescheidenen Verhältnissen leben. Also auch Millionäre. Dies zum hohen Preis der Verschlechterung der finanziellen Situation der AHV. Die Verbesserung der Altersvorsorge der Frauen erreichen wir primär mit einer besseren Absicherung in der zweiten Säule.  

FZ: Die Einführung einer 13. AHV-Rente entspricht einer Erhöhung der jährlichen AHV-Rente um 8,3 Prozent. Die Kosten dieses Ausbaus beliefen sich im ersten Jahr voraussichtlich etwa auf 4,1 Milliarden Franken. Danach würden die Kosten schnell weiter steigen und fünf Jahre nach Einführung voraussichtlich rund fünf Milliarden Franken pro Jahr betragen. Wie soll das finanziert werden? 

Priska Seiler Graf, pro: Die Angstszenarien haben sich nie bewahrheitet, der Bundesrat musste sogar seine Berechnungsmodelle revidieren: Gemäss den heute offiziellen Finanzperspektiven des Bundes wird die AHV allein im Jahr 2026 einen Gewinn von 3,5 Milliarden Franken erzielen. Dabei liegen die Reserven der AHV bereits heute bei rekordhohen 50 Milliarden. Bis 2030 sollen sie auf fast 70 Milliarden ansteigen. 

Priska Seiler Graf zeigt ein Ja
Priska Seiler Graf am PolitPodium in 2023.

Regina Sauter, contra: Genau dazu äussert sich die Initiative nicht. Ein zusätzliches Mehrwertsteuerprozent oder die Erhöhung der Lohnabzüge von heute 8,7 auf neu 9,4 Prozent wären nötig. Es ist offensichtlich, dass einmal mehr der Mittelstand belastet würde, und Lohnabzüge schmerzen insbesondere Menschen mit tiefen Einkommen stärker, und da sind vor allem die Frauen betroffen. 

FZ: Bei Annahme der Renteninitiative würde das Rentenalter für Frauen und Männer bis 2033 auf 66 Jahre angehoben. Ab 2033 wird das Rentenalter automatisch um maximal zwei Monate pro Jahr erhöht, wenn die Lebenserwartung steigt. Wie wirkt sich diese Initiative auf die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Altersvorsorge aus? 

Regine Sauter, pro: Die Initiative macht richtigerweise keine Unterscheidung zwischen den Geschlechtern. Die Lebenserwartung von Männern und Frauen ist seit der Einführung der AHV um rund zehn Jahre gestiegen. Alle beziehen deshalb heute länger eine Rente, und das muss finanziert werden. Die Anhebung des Rentenalters für alle, Männer und Frauen, kann die AHV nachhaltig sichern.  

Priska Seiler Graf, contra: Das Rentenalter der Frauen wurde gerade erst erhöht. Auch nach dieser Rentenaltererhöhung bleibt es leider eine Tatsache, dass Frauen immer noch tiefere Renten haben als Männer. Jetzt eine weitere Erhöhung zu beschliessen, ist weder fair noch richtig. Zudem ist die geplante Berechnung des Rentenalters nicht flexibel genug. Zum Beispiel kann die Wirtschaftslage nicht mitberücksichtigt werden. 

FZ: Was müssen Rentensysteme eurer Meinung nach grundsätzlich leisten, um die Gleichstellung zu fördern und sicherzustellen, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen auf eine angemessene Altersvorsorge haben? 

Regine Sauter: Personen, die in kleinen Pensen arbeiten oder nur wenig verdienen, sind heute in der beruflichen Vorsorge nicht oder nur schlecht versichert, das betrifft vor allem die Frauen. Hier müssen wir ansetzen. Das Parlament hat dies erkannt und eine Modernisierung der beruflichen Vorsorge beschlossen, die diese Mängel behebt. Darüber stimmen wir noch in diesem Jahr ab und dazu gilt es klar Ja zu sagen.  

«Personen, die in kleinen Pensen arbeiten oder nur wenig verdienen, sind heute in der beruflichen Vorsorge nicht oder nur schlecht versichert, das betrifft vor allem die Frauen. Hier müssen wir ansetzen.» – Regine Sauter

Priska Seiler Graf: Für mich wäre die Altersvorsorge 2020 die beste Lösung gewesen, weil diese Reform die 1. und 2. Säule miteinbezogen hätte und einen austariertens Kompromiss darstellte, gerade für die Frauen. Leider hat das Volk die Vorlage abgelehnt. Mit der 13. AHV-Rente haben wir aber nun die Möglichkeit, die Kaufkraft der Rentner:innen zu stärken. 

FZ: Und was können Unternehmen und Organisationen tun, um die Gleichstellung zu fördern, insbesondere im Hinblick auf die betriebliche Altersvorsorge? 

Regine Sauter: Frauen müssen nach Erwerbsunterbrüchen einfacher wieder ins Berufsleben einsteigen können. Arbeitgeber sollten deshalb offen sein für Lebensläufe, die nicht dem «Schema X» entsprechen, und Chancen erkennen in Qualifikationen, die aus anderen Lebensbereichen stammen. Gleichzeitig ist es im Interesse eines Unternehmens laufend in die Ausbildung gerade auch älterer Mitarbeitenden zu investieren. 

Regine Sauter spricht in ein Mikrofon
Regine Sauter am PolitPodium in 2023.

Priska Seiler Graf: Die Unternehmen müssen Frauen und Männer endlich gleiche Löhne für gleichwertige Arbeit bezahlen, der nicht erklärbare Lohnunterschied beträgt nämlich immer noch 7,4 Prozent. Zudem muss weiterhin die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden, wie zum Beispiel durch die Einführung einer Elternzeit und durch gute, bezahlbare Kita-Plätze.  

«Die Unternehmen müssen Frauen und Männer endlich gleiche Löhne für gleichwertige Arbeit bezahlen, der nicht erklärbare Lohnunterschied beträgt nämlich immer noch 7,4 Prozent.» – Priska Seiler Graf 

FZ: Was möchtet ihr uns zu den beiden geplanten Initiativen unbedingt noch mitteilen? 

Regine Sauter: Die Initiative für eine 13. AHV-Rente ist unsozial, weil sie mit der Giesskanne heute Geld verteilt, die Finanzierung aber der nächsten Generation überlässt. Besonders stossend ist die Initiative aber aus Sicht der Frauen. Die Erhöhung des Frauen-Rentenalters auf 65 leistet einen Beitrag, um die AHV finanziell zu sichern. Und nun soll dieser Betrag mit der 13. AHV-Rente auch an ganz viele verteilt werden, die dies gar nicht nötig haben. Die Renteninitiative auf der anderen Seite zeigt einen verantwortungsvollen Weg auf, wie wir die AHV, unser wichtigstes Sozialwerk, nachhaltig sichern können. Deshalb sage ich dazu Ja.  

Priska Seiler Graf: Die Stärkung der AHV steht für mich bei der Rentendiskussionen stets im Vordergrund. Dank ihrer sozialen Finanzierung ist die AHV sehr gerecht und verteilt von oben nach unten. Sie ist die Solidarischste aller Sozialversicherungen. Frauen haben im Durchschnitt 1/3 weniger Rente als Männer, mit den Betreuungs- und Erziehungsgutschriften, die es nur in der AHV gibt, wird die Rentensituation vieler Frauen verbessert. 

FZ: Danke vielmals für das spannende Interview!

Dir hat das Interview gefallen? Auf unserem Blog findest du weitere Interviews, Artikel und Beiträge der Frauenzentrale Zürich. Viel Spass beim Lesen!

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