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Namensreform in der Schweiz: Das Comeback der Doppelnamen – zwischen Tradition und Emanzipation

Text: Belinda Schweizer

Die Schweiz erwägt die Wiedereinführung von Doppelnamen für Verheiratete, was eine bedeutende Änderung im Schweizer Namensrecht bedeuten könnte. Im Interview mit Rechtsanwältin Carolina Keller erfahren wir, warum Doppelnamen vor einem Jahrzehnt abgeschafft wurden, welche Reformen nun geplant sind und welche gesellschaftlichen Veränderungen dazu führen könnten, dass Doppelnamen nach der Heirat wieder an Beliebtheit gewinnen.

Frauenzentrale Zürich (FZ): Liebe Carolina, vor zehn Jahren wurden die Doppelnamen abgeschafft. Das heisst, Frau und Mann (und ab 2022 auch in gleichgeschlechtlichen Ehen) behielten beide Partner:innen ihren bisherigen Familiennamen oder mussten sich auf einen gemeinsamen Familiennamen einigen. Kannst du kurz erläutern, warum das Tragen von Doppelnamen in der Schweiz eingeschränkt wurde?

Carolina Keller: Die damals geltende gesetzliche Regelung gewährleistet die Gleichstellung von Mann und Frau im Namens- und Bürgerrecht nicht. Die Ehefrau verlor ihren Geburtsnamen und nahm den Namen (und auch das Bürgerrecht) des Ehemannes an. Wollte die Ehefrau dies nicht, so bestand die Möglichkeit, dass der Ehemann ihren Geburtsnamen annahm oder die sog. Allianznamen (mit Bindestrich) und Doppelnamen (ohne Bindestrich).

Mit der Revision des Zivilgesetzbuches, welches am 1. Januar 2013 in Kraft trat, wurde die Gewährleistung der Gleichstellung im Namens- und Bürgerrecht verwirklicht. Die neue Regelung sah vor, dass jeder Ehegatte grundsätzlich seinen Namen und sein Bürgerrecht behält. Die Neuerung sah jedoch für verheiratete Paare und später die eingetragenen Partnerschaften eine Ausnahme vor, diese konnten den Geburtsnamen der Braut oder des Bräutigams als gemeinsamen Familiennamen bestimmen, um ihre Zusammengehörigkeit im Namen zum Ausdruck zu bringen. Die Möglichkeit eines Allianznamen (mit Bindestrich) und eines Doppelnamens (ohne Bindestrich) fiel jedoch weg.

FZ: Der früher mögliche Doppelname wurde aus gleichstellungsrechtlichen Gründen in erster Instanz abgeschafft. Nur: Ein kleiner Teil der verheiratenden Frauen behielt seither den angestammten Namen. Drei Viertel bevorzugten den Namen des Ehepartners. Der umgekehrte Fall kommt selten vor: Nur zwei Prozent der Bräutigame nehmen den Namen der Braut an. Wie lässt sich das erklären?

Carolina Keller: Gemäss der Geschlechterforschung sei dies einerseits aufgrund der über Jahrzehnte lang gepflegten Traditionen und Rollenbilder zurückzuführen. Offenbar sei in der Schweiz fast unvorstellbar, dass der Ehemann seinen Geburtsnamen aufgibt. Ferner stelle das neue Recht die Paare vor ein Dilemma: mit der Heirat wollen die Paare Gemeinsamkeit schaffen, das neue Namensrecht jedoch, die Eigenständigkeit der Identität bewahren. Dieses Dilemma in der Kombination mit einem traditionellen Rollenbild, führe dazu, dass der Entscheid über den Familiennamen bei den Frauen liege. Dies sei mit der Abschaffung des Doppelnamens offenbar verschärft, so die Geschlechterforscher. Die damals neue Regelung ziele also am Bedürfnis der Zusammengehörigkeit der Paare vorbei.

«Offenbar sei in der Schweiz fast unvorstellbar, dass der Ehemann seinen Geburtsnamen aufgibt.»

©getty images/olegbreslavtsev

FZ: Jetzt soll der Doppelname für Verheiratete wieder möglich werden. Die Rechtskommission des Nationalrats hat sich für eine Gesetzesänderung ausgesprochen. Was beinhaltet die erneute Reform des Namensrechts konkret?

Carolina Keller: Der Entwurf sieht Änderungen nicht nur für die Namen der Ehegatten, sondern auch für deren Kinder vor. Mit dieser Revision werden also die Möglichkeiten der Namensführung nach einer Heirat sowie die Namensbestimmung für die Kinder verheirateter und unverheirateter Eltern durch die Einführung der Option eines amtlichen Doppelnamens erweitert. Die bestehenden Möglichkeiten der Namensführung bleiben grundsätzlich erhalten. Neu ist auch, dass sich Ehegatten oder Partnerinnen und Partner unabhängig voneinander für die Annahme eines Doppelnamens entscheiden können.

Zusätzlich sollen gemeinsame Kinder einen Doppelnamen tragen können, der sich aus den Namen der Eltern zusammensetzt, wenn dies von den Eltern gewünscht wird. Schliesslich sollen auch bereits verheiratete oder in eingetragener Partnerschaft lebende Personen die Möglichkeit erhalten, durch eine einfache Erklärung einen Doppelnamen gemäss dem neuen Recht anzunehmen.

Auf diese Weise kann der bisher nur auf Gewohnheitsrecht basierende Allianzname zu einem offiziellen Namen werden. Die Möglichkeit, gestützt auf das Übergangsrecht nachträglich einen Doppelnamen nach neuem Recht zu bilden, wird durch eine einfache Erklärung ermöglicht. Dies gilt nicht nur für bereits verheiratete oder in einer eingetragenen Partnerschaft lebende Personen, sondern auch für die minderjährigen Kinder verheirateter und unverheirateter Eltern. Bei Kindern, die älter als 12 Jahre sind, ist deren Zustimmung zur Namensänderung erforderlich.

Die Neuerung sieht somit zahlreiche Kombinationen vor, was auch das erklärte Ziel der Revision ist. Insbesondere strebt man eine hohe Flexibilität bei der Namensgebung an. Mit den Neuerungen von 2013 wollte man nebst der Gleichstellung auch eine Verschlankung des Namensrechts. Die damals gewünschte Verschlankung wir nun zugunsten der Flexibilität geopfert.

FZ: Die Reform ist noch nicht definitiv beschlossen. Die Rechtskommission des Nationalrates hat sie mit 14 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung gutgeheissen. Das Plenum des Nationalrats wird sie voraussichtlich in der kommenden Frühjahrssession behandeln. Wann könnte das neue Gesetz frühestens in Kraft treten?

Carolina Keller: Der Gesetzesentwurf wird als nächster Schritt dem Bundesrat vorgelegt. Der Nationalrat plant voraussichtlich die Beratung der Vorlage im Frühling 2024. Anschliessend muss auch der Ständerat zustimmen. Somit wird das neue Namensrecht frühestens Anfang 2025 in Kraft treten.

«Somit wird das neue Namensrecht frühestens Anfang 2025 in Kraft treten.»

FZ: Welche praktischen Herausforderungen oder evtl. auch Vorteile könnten mit der Wiedereinführung von Doppelnamen verbunden sein, sowohl für Privatpersonen als auch für die Verwaltung?

Carolina Keller: Es besteht ein breiter Konsens, dass derzeit Handlungsbedarf in Bezug auf den Familiennamen besteht, da dieser eine bedeutende Rolle in unserer Gesellschaft spielt. Die Wiedereinführung des Doppelnamens oder die allgemeine Erweiterung der Flexibilität in der Auswahl des Familiennamens wird voraussichtlich die schwierige Namenswahl für viele Paare erleichtern. Das stellt einen klaren Vorteil für Paare und Familien dar.

Die erweiterte Namensänderung ermöglicht in der Tat eine bedeutende Flexibilität, die sowohl Segen als auch Herausforderung sein kann. Die Vielzahl von Optionen eröffnet Paaren die Möglichkeit, gemeinsam eine Entscheidung zu treffen und ihre individuellen Präferenzen in der Namenswahl zu berücksichtigen. Die Flexibilität erstreckt sich nun auch auf die Namensgebung der Kinder, was eine zusätzliche Ebene der Vereinbarung erfordert. In Fällen, in denen keine Einigung erzielt wird, müsste wohl die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) eine Entscheidung treffen.

FZ: Welche gesellschaftlichen Veränderungen oder Trends siehst du heute, die das Interesse an Doppelnamen nach der Heirat in der Schweiz wieder aufleben lassen?

Carolina Keller: Unsere Gesellschaft legt einen starken Fokus auf Individualität und Selbstbestimmung. Paare könnten verstärkt nach Möglichkeiten suchen, ihre persönlichen Identitäten und Präferenzen in der Namenswahl widerzuspiegeln, was zu einem vermehrten Interesse an Doppelnamen führen könnte.

Braut unterschreibt
©Herzflimmern

Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist ebenfalls ein zunehmend wichtiges Thema. Eine wachsende Anzahl von Paaren könnte sich dafür entscheiden, beide Nachnamen zu behalten und somit zu einem Doppelnamen zu kombinieren, um auch im Namen die Gleichberechtigung auszudrücken. In diesem Zuge würde mit den Neuerungen auch diese Flexibilität für die Kinder bestehen.

Schliesslich könnte in einer globalisierten Welt, in der Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen heiraten, das Interesse an Doppelnamen steigen, um beide kulturellen Identitäten zu bewahren.

FZ: Könnte das Tragen eines Doppelnamens nach der Heirat sogar als Zeichen der Emanzipation und Selbstbestimmung der Frau gesehen werden?

Carolina Keller: Ja, das Tragen eines Doppelnamens nach der Heirat kann definitiv als Zeichen der Emanzipation und Selbstbestimmung der Frau interpretiert werden. Es repräsentiert eine Entscheidung, die über traditionelle Geschlechterrollen hinausgeht und die Autonomie der Frau in Bezug auf ihre Identität betont. Das Festhalten an beiden Nachnamen verdeutlicht, dass Frauen nicht mehr nur verpflichtet sind, den Nachnamen ihres Ehemanns anzunehmen, sondern die Freiheit haben, ihre individuelle Identität zu bewahren. Diese Entscheidung kann als Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Aufhebung traditioneller Normen in Bezug auf Namensgebung und Ehe betrachtet werden.

«Ja, das Tragen eines Doppelnamens nach der Heirat kann definitiv als Zeichen der Emanzipation und Selbstbestimmung der Frau interpretiert werden.»

FZ: Was möchtest du uns noch unbedingt mitteilen?

Carolina Keller: Aus meiner persönlichen Perspektive betrachte ich die Wiedereinführung des Doppelnamens als eine wertvolle Ergänzung des Namensrechts. Es hat sich gezeigt, dass die 2013 vorgenommenen Neuerungen nicht alle Bedürfnisse von Ehepaaren und Partnern abgedeckt haben. Durch die erneute Revision wird diese Flexibilität nun sichergestellt. Zudem begrüsse ich die Möglichkeit, dass der beliebte Allianzname (mit Bindestrich) zu einem amtlichen Namen werden könnte. Gleichzeitig stimmt mich etwas nachdenklich, dass die beabsichtigte Gleichstellung im Sinne der Revision im Jahr 2013 nicht die gewünschte gesellschaftliche Akzeptanz gefunden hat.

FZ: Danke vielmals für das spannende Interview!

ÜBER CAROLINA KELLER

Carolina Keller Jupitz ist vorwiegend im internationalen Familien-, Kindes- und Erbrecht tätig (Spezialisierung auf bi-nationale Ehen). Aufgrund ihres kulturellen Hintergrunds als schweizer-brasilianische Doppelbürgerin berät und vertritt sie Ihre Klienten auf Portugiesisch, Deutsch und Englisch in allen Belangen des Familien- und Erbrechts (elterliche Sorge, Kindsunterhalt, Trennung, Scheidung, Anerkennung ausländischer Scheidungsurteilen).

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